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Dies ist eine Grübelei über die Schule und ihre Strukturen. Wir haben das mit vielen alten Fahrradbauteilen auf acht Ausstellungstafeln (je ein q-meter) gebastelt. - immerhin haben wir so den Fahradschrott gut verwendet, und es hat (uns) viel Spaß gemacht.
Wenn jemand den Witz dieser Bildergeschichte nicht versteht, - dann schnell wieder weg von dieser Seite, also nicht lange abquälen mit dem Humor unseres Bildungssystems!

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Tine hat uns die Tafeln gezeichnet:

Nicht für die Schule - Für das Radfahren lernen wir

Ich lebe hier auf dem Fahrradplanet. Unser Leben ist das Fahrrad, und weil wir das Fahrradleben lernen müssen, haben wir auch eine Schule. Wir nennen sie einfach nur Schule, also nicht Lebensschule oder Fahrradschule.

Wenn es die Schule nicht gäbe würde jeder Radfahren, wie er will und wie es ihm gefällt, aber das würde einigen Leuten hier nicht gefallen, deswegen legen sie so viel Wert auf die Schule.

Die Schule hat auch Unterrichtsfächer, und so wie ihr alle das kennt einen Vormittag mit sechs Stunden und einigen Pausen, mit einem Schulhaus (mit einem Fahrradständer davor) und viele Lehrer, die manchmal nett sind.
Also eine ganz normale Schule auf unserem Fahrradplanet.

Nach dreizehn Schuljahren machen wir ein Fahrradabitur und dann werden wir "ins eigenverantwortliche Fahrradfahren entlassen", wie man so schön sagt.
In der Umweltstation in Iffens hat unsere Schule eine schöne große Ausstellung mit vielen Fahrradobjekten über die vielen spannenden Unterrichtsfächer. Für alle, die nicht nach Iffens kommen können folgt jetzt ein kurzer Eindruck von der Ausstellung:









Nachdem ich jetzt das "schulische" Lernen mit den Bildern (Ausstellungstafeln) etwas kontrastreicher dargestellt habe als es in der Wirklichkeit hoffentlich ist, muß ich folgerichtig an demselben Beispiel ( Fahraddfahren) das "alltägliche / menschliche" Lernen zeigen. Wie also würde das Radfahren nach der "nichtschulischen" Umwelterziehung erlernen?:

Umwelterziehung und Radfahren

Verkürzen wir die lange und langsame Umwelterziehung des Menschen und nehmen uns nur ein Beispiel heraus, das "Lernen" des Fahrrades. An diesem Beispiel betrachten wir einige Aspekte der Erziehungsgeschichte. Vorbilder und Anleitungen für diese Geschichte haben wir aus den Fachbereichen Sozialisation, Verhaltensbiologie oder den Rudelgesetzen der Zoologie gesucht.

Vor der Geburt fahren wir bereits auf einem Fahrrad, weil das Fahrzeug der Mutter als normaler Alltagsgegenstand zur schnelleren Fortbewegung dient. Wir lernen bereits Gleichgewicht und Schaukelbewegungen, Bewegungsabläufe, Pausen und Anstrengungen.
Nachgeburtlich werden wir nun in einem Tuch oder Rucksack zunächst am Körper der Mutter/Vater mitfahren. Unsere Wahrnehmung von Wind, Helligkeit und Gerüchen beginnt.
Später haben wir einen Fahrradsitz, zunächst noch vor der Mutter/Vater, also von ihr beschützt, und dann später aus technischen Gründen auch als Anhängsel auf dem Rücksitz.

Wir sehen andere Radfahrer und deren Bewegungen, wir erfahren Start, Beschleunigung, Bremsen und vielleicht auch mal einen Sturz. Der Sinn der Radfahrends wird deutlich, wir (oder die Eltern) wollen ein Ziel erreichen, und das geht mit dem Rad schneller.

Dann später probieren wir selbst auf dem Rad der Erwachsenen zu fahren. Es ist ein selbstgewählter Moment an dem wir dazu gerade Lust und Mut haben, an dem gerade ein freies Fahrrad und vielleicht auch HelferInnen vorhanden sind.

Andere Kinder sind Vorbild für uns, anfangs hält jemand das Rad noch fest und dann haben wir meist schnell den Trick heraus und fahren nach kurzer Übung vollkommen selbstständig.
Ein Stützrad ist überflüssig, weil wir das Gleichgewicht unmittelbar erlernt haben.

Als Kind haben wir ein kleineres Fahrrad, das unter Kindern weitergereicht wird, wir bekommen es von einem Älteren und halten es in Ordnung, weil wir es an jüngere Kinder weitergeben wollen. Notwendige Reperaturen erledigen die Erwachsenen, aber wir schauen zu und machen nützliche Handgriffe.

Mit eigenem Fahrrad suchen wir günstige Wege, kleiden uns dem Wetter entsprechend und verteilen Lasten so, daß sie beim Fahren möglichst wenig stören. Wir entscheiden darüber, wann wir anbends den Lichtdynamo anschalten und wir üben den Umgang mit anderen RadfahrerInnen und anderen Kraftfahrzeugen. Verkehrsregeln werden uns eingeprägt und deren Nichtbeachtung verursacht meist unmittelbar Ärger.

Unsere Reaktionen und unser Verhalten in Gefahrensituationen wird uns bewusst. Anstrengung und Erholung, Leistungsgrenzen und Spaß ergeben sich aus Situationen und werden mit anderen RadfahrerInnen erlebt.

Mit dem Rad werden wir nicht nur Ziele errreichen, sondern auch herumspielen, Kunststücke machen. Mit NachbarInnen und in Gruppen werden wir Geschicklichkeitsspiele üben und Beifall bekommen oder andere Loben und Bestätigen.

Als Jugendliche probieren wir neue Ideen. Einige sonderbaren Konstruktionen werden unser Rad verzieren und wir erfinden neue Antriebe und technisch ausgefeilte Anhänger. Tandems und Hochräder wecken unsere Interesse und physikalische Begriffe wie Masse, Geschwindigkeit, Kraft, Drehmoment werden in ihrer Gesetzmäßigkeit verständlich. Historische Fahrräder sehen wir in Büchern oder mal im Museum.

Nun wird nicht jeder mit dieser Lebensgeschichte in den Metallberuf gehen und Fahrräder bauen oder Radrennfahrer oder FahrradhändlerIn werden, aber möglich ist es immerhin. Normalerweise werden wir als Erwachsene das Fahrrad weiterhin als selbstverständliches Verkehrmittel, Sport- oder Freizeitgerät nutzen und wir werden unsere Kinder ebenso unabsichtlich mit dem Fahrrad vertraut machen, wie wir es erfahren haben.


Bei der Präsentation der Ausstellungstafeln oder bei Diskussionen über die schulische Umweltbildung gibt es einige Aspekte, die ich oft erklären muß. Diese sind hier nochmals kurz zusammengefasst. Ausführlichere Begründungen und Erklärungen der Gedanken kannst du ggf in den anderen Arbeitstexten zur Umwelterziehung suchen, oder in Iffens anfragen (oder einen Fortbildungskurs machen!).

Umwelterziehung und Schule

Einige Aspekte:

1. Die Begriffe Umwelterziehung, Umweltbildung, Ökopädagogik oder Circumundialeducation benutze ich gleichwertig.

2. Einige Begriffe in der Umweltthematik sind problematisch geworden, weil sie nicht mehr ihre praktische Bedeutung erkennen lassen. Die Worthülse "Ökologie" ist ein gutes Beispiel dafür. Weil der Ökologe aber weiß, was er tatsächlich tut und welchen Bereich er repräsentiert, wird er seinen Arbeitsbereich mit den Zusatz "fachbiologische" oder "politische" oder "allgemeine" versehen, um Mißverständnisse zu verhindern. Ich möchte deswegen den Zusatz "schulische" vor den Begriffen Umweltbildung, Ökopädagogik, Umweltstation etc haben, wenn sie in der Schule stattfindet oder mit schulischen Spielregeln erfolgt.
Dabei ist heute auch der weitausgrößte Teil der Erwachsenenbildung in der Struktur und in den Sachzwängen schulisch ausgerichtet.

3. Die heute übliche Schule ist als Ort für die Umwelterziehung äusserst ungeeignet. Umwelterziehung könnte vielleicht einiges in der Schule reformieren, sie könnte also der Institution Schule helfen mit ihren starren Formalismen umzugehen.
Die Schule scheint in der heutigen Praxis jedoch nicht der Umwelterziehung zu helfen.

Ein Teilaspekt der Umwelterziehung ist die schulische Umwelterziehung. Dieser Teilaspekt hat sich an der Schule eine feste Position erarbeitet. Schulische Umwelterziehung als Methode oder als Fachunterricht hat eine Eigendynamik entwickelt, ihre Position im Schulleben ist jedoch unsicher und diffus, ihre Wirkung bei SchülerInnen und LehrerInnen sehr widersprüchlich. Manche Pädagogen fordern die Abschaffung der Umwelterziehung (oder der schulischen Umwelterziehung ?), aber ich bin froh, daß sie an der Schule wohl nicht mehr zu verhindern ist. Schulische Umwelterziehung ist aber zu korrigieren und sie kann dann sogar sinnvoll sein, wenn sie sich ihrere Rahmenbedingungen bewusst ist und wenn sie in der allgemeine Umwelterziehung deutliche Position bezieht.

4. Die Diskussion um Bildung und/oder Ausbildung zeigt die Problematik. Bildungsforscher haben diesen Unterschied genau beschrieben und viel Literatur steht uns darüber zur Verfügung. Für den Umweltbereich gelten diese Überlegungen genauso, wir haben jedoch noch keine geeeigneten entsprechenden Begriffe, die Umwelt -Bildung und -Ausbildung unterscheidbar machen. Natürlich wäre es möglich zumindest die Umweltbildung entsprechend der klassischen Bildung zu verstehen. Bei der Ausbildung wird es schwieriger einen passenden Begriff zu finden. In der umweltpädagogischen Praxis werden alle Begriffe nahezu beliebig vermischt. Das verursacht viele Mißverständnisse und ist ein weites Feld für die vielen Schreibtischpädagogen, um alte Fragenstellungen immer wieder neu aufzukochen. Zum Beispiel gibt es heute zu viele "neue" Studien über das selbe alte Problem, daß Ausbildung nicht unbedingt Bildung zur Folge haben muß. Ebenso sollten wir uns nicht wundern, wenn Vermittlung von viel Umweltwissen unser tatsächliches Umweltverhalten nicht unbeding positiv entwickelt. Auch dieses Phänomen ist schon leidlich oft beklagt und analysiert worden.

5. Schulische Umwelterziehung ist in unserer Gesellschaft aktuell vorhanden und sie ist dann auch wertvoll, wenn sie ihren Stellenwert und ihre positiven Chancen erkennt und nutzt. Schule kann einen wichtigen Teilbereich der Umwelterziehung beonders gut vermitteln und sollte mit anderen Einrichtungen kooperieren, um den Zugang zu den anderen Teilen der Umweltbildung zu fördern. Den Beitrag und die Aufgabe der schulischen Ausbildung kennen wir von klassischen Berufen, von der Verkehrserziehung oder der religiösen Unterweisung.

Um es nochmals zu betonen: Schule ist also kein besonders guter Ort, um Möbel herzustellen, Gottesdienst zu machen oder Kühe zu halten. Das ist alles in der Schule sehr wohl möglich, aber nur jeweil als Ergänzung und Erweiterung der schulischen Absichten. Auf keinen Fall als Ersatz für die eigenständige Möbeltischlerei, Kirche oder Landwirtschaft. Welchen Stellenwert hat also ein Schulbauernhof? Können 500 Schulbauernhöfe in der BRD die deutsche Landwirtschaft reformieren? Oder würde der Religionsunterricht die Liturgie in der Kirche bestimmen, oder sie gar überflüssig machen?

Normalerweise geben ausserschulische Einrichtungen die Lernziele vor, die Schule zu erfüllen hat. In der Umwelterziehung scheint Schule ein Freigebiet zu haben. Bisher hat noch keine Hochschule oder Handelskammer Erwartungen oder Forderungen zur Umwelterziehung an die Schule gestellt.

(... oder doch? bitte Hinweise)

6. So kommt dann die Forderung nach einer Struktur und inhaltlichen Ausstattung der Umwelterziehung aus den eigene Reihen der zumeist schulischen UmwelterzieherInnen.

Umwelterziehung tritt schon zu lange auf der Stelle und auch ich erzähle seit nunmehr 18 Jahren die Geschichte von Hamster im Laufrad, der sich in seinem Bewusstsein so rasant voranzukommen doch sehr aktiv fühlt. Er ist so ungefährlich und harmlos wie die UmwelterzieherInnen, die seit 15 Jahren die selben Probleme wälzen und die selben (Schein-)Lösungen erfinden, um sie dann nicht zu realisieren. Industrie und Politik schauen uns dabei liebevoll zu und füttern uns gelegendlich mit einem Happen an Umweltpreis, Stiftungsgeld, Umwelt-ZIWI,Agenda 21-Geld und ABM- oder FÖJ-Stelle.

7. Inzwischen können wir recht genau formulieren, welche Ziele die Umwelterziehung/-bildung hat, und wie sie funktioniert. Unser Beitrag aus der Umweltstation Iffens zu dieser Frage sind einige Texte und Ausstellungen wie diese: "Nicht für die Schule - für das Radfahren lernen wir". Das Fahrradbeispiel ist Teil einige Referate, bei denen ich mit Folienserien, Objekten oder Klangbeispielen meine Vorstellung über Umwelterziehung erkläre.
Damit versuche ich aus verschiedenen Blickrichtungen die Umwelterziehung zu erklären.

8. Die Schule hat viele Chancen und Probleme mit der Umwelterziehung.
Eine gute Studie darüber habe ich noch nicht gefunden, Vielleicht gibt es sowas schon für Sonderformen von Schulen?, - vielleicht ist dies ein schönes Thema für eine Dissertation.
Eine unvollständige Liste von Aspekten habe ich zusammengestellt, sie kann die Richtung zeigen, in die eine Analyse gehen könnte:

Kennzeichen der schulischen Umwelterziehung/bildung:

Nutzung der bestehenden Institution, mit Gebäuden, Lehrkräften oder Aussenflächen.
Stundensystem, Tagestakt und Ferienpausen
Großgruppen gleichaltriger Jugendlicher mit einem Leit-erwachsenen
Soziale Eigendynamik dominiert
Prüfungssystem betont Kurzzeitwissen
"Wir tun so als ob" - Welten, Scheinprobleme, Übungssituationen
Themen aus dem Zusammenhang herausnehmen und vereinzelt betrachten
Dominanz von Verwaltung und Dienstverständnis
Unklare Wirtschafts-, Zeit- und Effekt- Analysen

Kennzeichen der allgemeinen Umwelterziehung/bildung:

Integration der Lernsituationen in normale Handlungs- und Entscheidungsabläufe
Leben in großen sozialen Einheiten mit gemischen Altersstufen und wechselnden Personen
Besinnliche und emotionale Wahrnehmung von Umwelt ist vermischt mit kognitven Ebenen.
Alltagsaufgaben und Verantwortlichkeiten selbstverständlich übernehmen.
Kooperation und Teamarbeit fördern
gleichzeitiges parnerschaftliches Lernen und Lehren (nicht hirarchisch)
Jahres- und Tagesrhythmen bestimmen die Arbeiten, das Essen und die Feiern.
Projekte sind vorrangig ernsthaft und existentiell, nebenbei kann geübt werden
Projekte gleichmäßig kontinuierlich ausführen
Rationeller Einsatz von Geld, Zeit und Energie ist nötig
Ehrlichkeit und Loyalität
Allgemeinkompetenz in allen Umweltthemen vermitteln
Wissen und Informationen zu aktuellen Umweltproblemen
Politische (gesellschaftliche) Kompetenz und Ausdauer entwickeln
Offenheit und Vermittelbarkeit der eigenen Positionen in der Umweltthematik
Nutzung vieler Umweltaspekte für das eigenen Leben
Selbstverständliche Vorgänge erlernen und akzeptieren
"Hinwachsen" in Kenntnisse ud Fertigkeiten, wie am diesem Fahrradbeispiel beschrieben.



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