10.4. Erlebnisse bei einem Apfelsaft-Preßtag in Iffens
Das ist nicht der neueste Stand der Technik, aber so ähnlich läuft
es immer noch.
Erlebnisbericht von Silja 1992:
" Mist Wecker, was mußt du schon so früh klingeln?"...Ach
ja! Heute pressen wir Apfelsaft, und schon um halb acht stehen die ersten
Leute auf der Matte, wahrscheinlich mit einem ganzen Hänger voller
knackiger Äpfel. fast zu schade, um sie in die Press zu jagen.
Noch schnell einen Happen Brot in den Mund geschoben, ein Schlückchen
Tee oder Kaffee und ein Blick in die Zeitung geworfen, schon geht's raus
in die frühmorgendliche Eiseskälte. Natürlich nicht ohne
zwei Paar dicker Socken,langer Unterhose und mehrerer Lagen Pullis.
Die erste Schicht, meist unter Bärbel's sorgsamer Aufsicht,spritzt
den Apfel-Preßraum nocheinmal durch und platziert Netze, Eimer, Wannen
und anderes Gerät an die richtigen Stellen. Denn- so wissen wir aus
Erfahrung- rollen die Äpfel ersteinmal über die Rutsche, so sind
innerhalb der einzelnen Preßstufen bis hin zum Auffangen des Saftes
Verzögerungen zu vermeiden. Sind doch die Tages-Termine zeitlich genau
geplant, abgestimmt auf die jeweiligen Apfelmengen der Anreisenden: Sechs
Zentner in einer Stunde! Das brachte doch so einige ins Staunen, die sich
noch an das mühsamere Pressen in der Diele erinnern konnten.
Schon hieven wir eine erste Ladung der grünen, roten, gelben oder
sogar mehrfarbigen Exemplare auf die Rutsche. Aber halt- bevor sie vollends
im mahlenden Loch verschwinden und unkenntlich geworden als Schnitzel in
der Wäschewanne wieder auftauchen, müssen sie noch eingehends
von Frank untersucht und bestimmt werden. Sein Apfelmuseum wird auf diese
Art um die seltendsten Sorten bereichert, obwohl sie oft wegen mangelner
Kenntnis der Apfelbaumbesitzer und desgeringen Umfangs des Bestimmungsbuches
keinen Namen mehr zugeordnet werden können.
Jedoch bewundern wir in diesem Jahr viele besonders großen Exemplare
und stöhnen schon fast über die ungeheuren Apfel-Mengen, die
dieser Sommer hervorgebracht hat. Versuchen doch einige Betroffene noch
verzweifelt einen Termin bei uns zu ergattern-aber "leider schon alles
belegt. Wie wär's in vier Wochen?"
Die kleingeschnitzelten Äpfel werden nun in Eimer geschaufelt,
die ein fleißiger Helfer bzw. Helferin mit Netzen auslegt.(Die Aufgabe,
die sogar ein blutiger Anfänger sofort beherrschen sollte). Aber ach,die
super-reißfesten Fischernetze sind eine Nummer zu schmal geraten.
Das Fluchen derjenigen oder desjenigen, die/der das schwere gefüllte
Netz in die Presse hieven darf, möglichst ohne daß die Schnitzel
seitwärts wieder herausrutschen, ist nicht zu überhören.
Auch sollte diese Tätigkeit lieber kein/e Rückengeschädigte/r
übernehmen, und wenn nur für einen kurzen Zeitraum (viele Grüße
hiermit an Petra aus Köln, die ihren Ischias kräftig zu spüren
bekam.) "ACHTUNG, der Eimer läuft über!" Mist, jetzt hat wieder
niemand an der entscheidendsten Stelle aufgepaßt. Nämlich dort,
wo die kostbare Flüssigkeit endlich aufgefangen werden kann. welche
Farbe und welchen Geschmack wird der Saft wohl diesmal haben? Über
braun und trüb bis grün und klar, sauer bis zuckersüß,
ist alles möglich; am begehrtesten jedoch die saure Variante.
Es läuft und läuft, aber die Presse hat ihren tiefsten Punkt
immer noch nicht erreicht. Eimer für Eimer wird in die mitgebrachten
Kanister gefüllt, doch-so ein Ärger- sie reichen gar nicht aus!
"Habt ihr nicht noch ein Gefäß für uns?" heißt es
nicht selten. Diese Situation, so ärgerlich für die einen, wird
von uns insgeheim freudig begrüßt, da sie des öfteren unseren
Saftbestand bereichert (wie war das noch mit der Pipeline, die den überschüssigen
Saft direkt in den Keller leitet?)
Mittlerweile gibt der Holzanteil der Presse schon seltsam knackende
Geräusche von sich, und das erfrischende Getränk füllt nur
noch tropfend den Eimer. Schnell werden die Netze mit den übriggebliebenen
"Apfel-Pfannkuchen" in Tonnen entleert (Die Schafe freuen sich schon) ,
um die nächste Fuhre hineinzufüllen. Dieser Vorgang bis hin zum
Pressen erfordert die größte Schnelligkeit, wobei während
der Arbeit der Presse endlich Zeit für einen kurzen Schnack mit den
Angereisten bleit. Dann werden interessante Neuigkeiten über das Wetter
ausgetauscht, der Saft der eigenen Äpfel gepriesen und über die
vielen vielen Äpfel in diesem Jahr geklagt:"Es hängt immer noch
alles voll in den Bäumen..."
Kurze Zeit später, selbstverständlich genau getimet, biegt
das nächste Auto in die Hofeinfahrt . Nun kann unser Preß-Rhythmus
von neuem beginnen. Vielleicht müssen diesmal die Äpfel noch
vorher gewaschen werden...(?)-" brrr, das Wasser ist eiskalt" und die Hände
bald genauso. Da erproben wir hinterher alle Aufwärm- und Massagetechniken,
die nur so lange vorhalten, bis die nächste Waschaktion beginnt.
Der Tag schreitet voran und mit ihm der Hunger. Allerdings kann wieder
auch nur in Schichten gegessen werden- endlich eine willkommene Abwechslung
für unsere von Apfelsaft überschwemmten Mägen. Trotzdem
können wir uns angesichts der vielen Sorten noch zu später Stunde
dafür begeistern.
Mit den neu ankommenden Apfel-PresserInnen wiederholt sich das Plaudern
über Äpfel, Wetter und andere Nettigkeiten. Eine kleine Abwechslung
bringen da die mitgebrachten Kinder, die sich vielleicht weniger für
die Presse begeistern können, aber dafür den darüberliegenen
Heuboden unsicher machen. Hier befinden sich nämlich die viel interessanteren
knuddeligen kleinen Kätzchen. (Komisch, woher kommt denn plötzlich
das viele Heu im Apfelsaft Preßraum?)
Einige Anreisenden werden sogar ganz großzügig und spenden
ein Trinkgeld für die "fleißigen PraktikantInnen". Mit wieviel
mehr Elan wir doch anschließend die Äpfel durch die Presse jagen...
Schlagartig, nachdem die letzte Presse des Tages geschafft ist, verringert
sich die Anzahl der Helfenden auf zwei bis drei. Denn- so ist es mittlerweile
allgemein bekannt- beginnt nun die unangenehmste aller Arbeiten: das Säubern
des Apfel-Preßraumes. Und wer hat noch keine Erfahrung gemacht mit
der unwahrscheinlichen Hartnäckigkeit der Apfelreste, die sich seltsamerweise
in alle Ritzen verkrümeln müssen oder den festgetrockneten Spritzern
an den Fliesen, denen es nun mit einer Bürste zu Leibe zu rücken
gilt. Als ganz gemein entpuppt sich die Angewohnheit der Netze, die beim
Trockenschütteln alle Nässe auf ihre/n SäuberIn übertragen.
Womöglich müssen die bedauerndswerten nassen und kalten Gesellen
auch noch auf den letzten Einkochtopf warten, der immer noch nicht auf
85 Grad hochgeheizt hat, um den Saft in Flaschen abfüllen zu können.
Doch zuguterletzt blitzt und glänzt der Raum wieder- bereit für
den nächsten Apfel-Preßtag- und wir freuen uns auf eine warme
Dusche sowie ein leckeres Abendessen.
Auszug aus einem Bericht zum Praktikum in Iffens im Herbst 1997 mit
wenigen Ergänzungen von Wolfgang, um die Zusammenhänge zu klären)
Das Apfelsaftpressen ist ein Paradebeispiel für die vielseitigen
und vielschichtigen Prozesse, die durch praktische Umwelterziehung angestoßen
werden können. Kurz gesagt, beginnt das Lernen beim Einsammeln der
Äpfel und endet beim fertigen Saft und der Mundpropaganda für
die Umweltidee.
Dadurch, daß wir nicht im Verborgenen arbeiten, eröffnen wir neue Wege des Verständnis für die späteren Saftkonsumentlnnen, ähnlich der"Sendung mit der Maus", nur live vor Ort: Die Gäste können den gesamten Produktionsprozeß beobachten und nachvollziehen (Wie wird Saft aus meinen Äpfeln?) und durch eigene Mithilfe auch handelnd erlernen. Wir erwecken dadurch auch Respekt für die Arbeit der Herstellenden und Achtung vor,dem Produkt"Apfelsaft", in dem diese Arbeit steckt.
JedeR nimmt den Apfelsaft aus den eigenen Äpfeln wieder mit, sie haben also die Bäume als Quelle des Saftes stets unmitttelbar im Blickfeld.Die Gäste nehmen überdies noch ein Produkt mit nach Hause, das völlig selbstgemacht und naturrein ist, und können sich eine zeitlang damit versorgen. Auf der Umweltstation decken wir unseren Eigenbedarf von ca. 1000 Liter Saft und 800Liter Wein durch Äpfelsammeln in den Gärten der Nachbarinnen und im eigenen Garten selbst.
Wir selbst lernen Einwohnerlnnen der Region samt ihrer Tätigkeiten
und Neuigkeiten der Gegend kennen. Für uns Praktikantinnen war es
wichtig, einen Einblick in die Verhältnisse der Gegend zu bekommen
oder uns bei interessanten Menschen nachher einzuladen; für die ständigen
Bewohnerlnnen der Umweltstation ist das Kontakthalten in der Region eine
wichtige Komponente, um dranzubleiben am Geschehen der Region und um Abwechslung
zu haben. Das gilt im Übrigen auch für die Gäste, etwa von
umliegenden Höfen, die auch selten dort wegkommen, oder für die
Städterinnen, die das Pressen als Landpartie nutzen. Manchmal sind
auch Schulklassen aus Nordenham zu Gast.
Bei einem Wirte wundermild
Da war ich jüngst zu Gaste.
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum
Bei dem ich eingekehret
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das Beste.
Ich fand ein Bett in süßer Ruh
Auf weichen, grünen Matten
Der Wirt er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt ich nach der Schuldigkeit.
Da schüttelt er den Wipfel
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel.
Apfelkantate von Hermann Claudius
Der Apfel ist nicht gleich am Baum,
Da war erst lauter Blüte.
Da war erst lauter Blütenschaum.
Da war erst lauter Blütentraum
und lauter Lieb und Güte.
Dann waren Blätter, grün an grün,
und grün an grün nur Blätter.
Die Amsel nach des Tages Mühn,
sie sang ihr Abendlied gar kühn
und auch bei Regenwetter.
Der Herbst er macht die Blätter steif,
der Sommer muß sich packen.
Hei, daß ich auf dem Finger pfeif:
da sind die ersten Äpfel reif
und haben rote Backen.
Und was einst Sonn` und Himmel war,
erquickt nun Mund und Magen
und macht die Augen hell und klar.
So rundet sich das Apfeljahr -
und mehr ist nicht zu sagen.
Kinderlied Quelle?
In meinem kleinen Apfel
da sieht es niedlich aus,
es sind drin fünf Stübchen
als wie in einem Haus.
In jedem Stübchen wohnen
zwei Kernlein braun und klein,
sie liegen drin und träumen
vom lieben Sonnenschein.
Sie träumen auch noch weiter
wohl einen schönen Traum,
wie sie einst hängen werden
am lieben Weihnachtsbaum.
Äppel klaun von elbspeelers
An de Eck steiht`n Jung mit`n Tüddelband
in de anner Hand een Bodderbrod mit Kees
Wenn he bloß nich mit de Been in de Tüddel
kommt
Un da leggt he ock all lang op de Näs.
Un he rasselt mit em Dassel an'nen Kantsteen
un he bit sich ganz gehörig op de Tung
As he opsteit seggt he, hett nich weh dohn,
dat is en Klax vor en Iffenser Jung
Ja,ja,ja Klaun, klaun, Äppel wüll we
klaun
ruck zuck übern Zaun
Ein jeder aber kann das nicht denn er muß
aus Iffens sein.
An de Eck steiht en Deern mit een Eierkorf
in de anner Hand en grote Buddel Rum
wenn se bloß nicht mit de Eier op das Plaster
sleiht
ond da segt et ok all lang: bum bum
Un se smert de Eier und de Rum tohop
Und se seggt son eierkoken hew ich gern
As se opsteiht seggt se: het nich wehdohn,
dat is ein Klax vor ein Iffenser Deern
Ja, ja, ja, klaun, klaun, Äppel wüll
we klaun
ruck zuck übern Zaun
Ein jede aber kann das nicht
denn se muß aus Iffens sein.
Ein finnisches Apfel-Gedicht von Risto Rasa
Omenan kvoressa on reikä.
Jos sühen painaa korvansa kinani
ja kuuntelee tarkasti,
voi veden ja tuulen ääniltä erottaa
astioiden helinää.
Toukka tiskaa.
In der Apfelschale ist ein Loch.
Wenn man das Ohr daran legt
und genau hinhorcht,
kann man außer den Geräuschen
von Wind und Wasser
auch das Klirren der Gläser
hören.
Das Würmchen wäscht ab.
An meinen Apfelbaum
Ich sah hinterm Zaun dein verzagtes Gesicht
von Dornen und Straeuchern umgeben.
Du strebtest vergebens nach Sonne und Licht,
die Zweige verbogen. Nein, schön warst du nicht.
Ich half dir im Kampf um dein Leben.
Ich habe gegraben, gehackt und gesägt,
befreite von Moos deine Rinde.
Die Krone gesäubert, den Stamm freigelegt,
ich hab dich nach all der Entbehrung gepflegt
gleich einem verwahrlostem Kinde.
Du bist verjüngt aus dem Schlafe erwacht.
Im Frühling, dem sonnigen warmen.
Wie hast du geleuchtet in blühender Pracht,
glückstrahlend, mir morgens entgegengelacht:
O komm doch und lass dich umarmen!
Nun stehst du im Herbst als ein prächtiger Baum
mit köstlich beladenen Zweigen.
Es duftet wie Weihnacht im festlichen Raum,
rot schimmern die Äpfel, ein kindlicher Traum.
So schön ist dies dankbare Schweigen.
Du hast mir unzählige Freuden beschert,
uns allen, dem Fink, der Meise.
Du warst mir die Liebe und Mühe schon wert.
Das wirkliche Denken hast du mich gelehrt,
so reichlich, so herzlich, so leise.
Fred Endrikat
Hier ein Bericht aus der regionalen "Kreiszeitung Wesermarsch" von 1994:
Aus der Kreiszeitung Wesermarsch vom 9.11.1994
Sie vertraten die Interessen der Landwirtschaft und machten durch die
Organisation von Vorträgen und Austellungen ihren Mitgliedern neue
Ideen zugänglich. Im nördlichen Butjadingen war das die Landwirtschaftliche
Abteilung Burhave, für das südliche Butjadingen einschließlich
Blexen und Atens die Abteilung Abbehausen, die Abteilung Schwei einschließlich
Seefeld sowie die Abteilung Rodenkirchen mit Esenshamm. Zahlreiche, zum
Teil lange Berichte zeugen von der aktiven Arbeit und gelegenlich auch
der leidenschaftlichen Diskussion in diesen Vereinen. Immer wiederkehrendes
Thema im Jahre 1893 war zum Beispiel die Einrichtung von Winterschulen
für Junglandwirte. In der zweiten Jahreshälfte beschäftigte
man sich ausgiebig mit der Durchführung von Obstaustellungen, wobei
dieAbbehauser eine gewisse Vorreiterrolle einnahmen, denn hier war diese
Idee zuerst aufgekommen, und hier fand 14. und 15. Oktober auch die erste
Ausstellung statt.
Im Vorfeld berichtete die Butjadinger Zeitung am 13. Oktober 1893:
"Außer vielen anderen Vortheilen wird ein Nutzen, den die Obst- und
Gemüseausstellungen haben, noch immer wenig beachtet. Die meisten
Gartenbesitzer kennennur wenige Sorten ihres Obstes mit Namen. Durch Ausstellungen
des Obstes auf Obst- und Gemüseausstellungen, wo die Namen des Obstes
durch Sachkenner festgestellt werden, kann nun jeder die Namen seines Obstes
ohne Kosten erfahren. Welchen Nutzen es hat, beim Obstkauf den Namen des
Obstes zu wissen , weiß jeder. Esversäume daher Niemand, der
reichlich und gutes Obst und Gemüse hat, solches auszustellen. Die
Obst- und Gemüseaustellung in Abbehausen am nächsten Sonnabend
und Sonntag und andere Ausstellungen bieten ja Gelegenheit dazu. Kosten
erwachsen den Ausstellern in keiner Weise dadurch. Wir empfehlen auch nachträglich,
nicht nur allein auf Obst, sondern auch auf Gemüse und Knollengewächse
ein Augenmerk zu haben. Fast in jedem noch so kleinen Garten findet sich
wohl eine besondere Pflanzenart, die besonders gut geraten ist und ein
geignetes Ausstellungsobject bildet. Die Mitglieder des Comitees werden
gern die beteffenden Gegenstände in Empfang nehmen und an Ort und
Stelle befördern. Die Vorträge finden Sonntag nachmittag 5 Uhr
statt und sind die geehrten Damen auch freundlich dazu eingeladen. Da manches
zur Belehrung und Anregung geboten wird, dürfte es sich empfehlen,
daß auch die Schüler durch die Herren Lehrer hingeführt
werden und zwar ist der Montag nachmittag eine geeignete Zeit.
Das Comitee: R. Didden-Ilksen , Stollham, Vorsitzender; Becker sen.,
Becker jun., Atens; Lücken, Siemßen, Stollham ; F. Mengers,
Meendsen-Bohlke, Blexen; Tom Diek, Büsing, O. G. Müller, Abbehausen."Die
Resonanz übertraf alle Erwartungen. "Bereits über 700 Nummern
sind durch die verschiedenen Obstsorten belegt und mit der Zusendung des
herrlichen Gemüses will es kein Ende nehmen", heißt es in ein
weiteren Pressenotiz. Dadurch waren der Saal und sogar der Vorsaal des
Rehme'schen Hotels so vollständig ausgefüllt, daß die Gänge
für das Publikum nur noch mit Mühe freizuhalten waren. Alles
Obst und Gemüse wurde von einer sachverständigen Komission begutachtet
und klassifiziert. Für diese besten Exemplare der einzelnen Klassen
wurden insgesamt 30 Preise ausgegeben."
Daß sich die Landwirtschaftliche Gesellschaft so zielstrebig und
wirkungsvoll um den Obstbau bemühte, hatte seine Ursache im Wachsen
der Städte als Folge der Industrialisierung. Immer mehr Menschen wanderten
vom Land in die Städte. Hier fanden sie in den engen Abeitervierteln
aber kaum noch Wirtschaftsfläche zur Erzeugung des Eigenbedarfs und
wurden deshalb zunehmend von der Versorgung aus dem Umland abhängig.
Damit öffnete sich neue Märkte für die Landwirtschaft. Im
Bericht der Landwirtschaftskammer für die Jahre 1900 bis 1906 heißt
es: "Daß gutes Obst keine Abnehmer findet, kommt heutzutage gar nicht
mehr vor, dazu sind der Obstgenuß und demgemäß die Obstnachfrage
viel zu weit entwickelt. Wir haben in den Städten Oldenburg, Wilhelmshaven,
Bremerhaven und Bremen so vorzügliche Obstabsatzgebiete, wie wir sie
nicht besser wünschen könnten." Aber die Region konnte diese
Märkte zunächst nicht bedienen. Obwohl durchaus qualitativ hochwertiges
Obst im Herzogtum geerntet wurde, fehlte es jedoch vor allem an der Menge
gleichmäßiger Früchte und an organisierten Handelsverbindungen.
Deshalb ergriff der Staat eine Reihe von Maßnahmen, um hier eine
Verbesserung der Situation einzuleiten. Zunächst gab es praktische
Obstbaumkurse zur Ausbildung von Sachkundigen und Baumwärtern, die
den obstanbauenden Landwirten mit Rat und Tat zur Seite stehen sollten
.
Alljährlich wurden Obstverwertungskurse für Frauen abgehalten.
"Durch den täglichen Genuß von Obstprodukten werden dem Obstbau
immer mehr Freunde gewonnen. So wird die Frau zum besten Förderer
dieses Zweiges der Landwirtschaft", heißt es in demselben Text. Ferner
gewährte man Premien, "namentlich an kleinere Local-Ausstellungen
, die in neuerer Zeit überall im Lande abgehalten werden und sehr
belehrend wirken."
Aus der Kreiszeitung Wesermarsch vom 12.11.1994
Sieg der Wirtschaftlichkeit auf Kosten der Artenvielfalt
Butjadingen . Neuanpflanzungen von Obstgärten in der Wesermarsch wurden vorzugsweise auf staatlichem Grund und Boden in Angriff genommen: auf den Domänen, in Schulgärten, an Straßen und entlang der Bahnkörper .Staatliche Kolonisten erhielten unentgeltlich Obstbäume zur Anpflanzung , und bei Ohmstede ließ der Staat gar eine 12 ½ Hektar große Muster - Obstanlage herrichten .
An vielen Orten entstanden Obst - und Gartenbauvereine, die sich im
Jahre 1900 auf Landesebene zu einem Verband vereinigten. Ein besonderes
Anliegen war lange Zeit die Aufstellung eines Landesobstsortiments. Dazu
heißt es in einem Bericht der Landwirtschaftskammer für die
Jahre 1900 bis 1906 : "Bekanntlich betrieb man früher in Deutschland
und auch in unserem engeren Vaterland mehr Liebhaber - Obstbau; die Anpflanzung
zahlreicher Obstsorten war die Folge .
Erst angeregt durch die riesige Obsteinfuhr, vornehmlich aus Amerika,
strebte man auch hier nach einer Vereinfachung des Obstbaus, besonders
in der Sortenwahl. Es war eine schwierige Arbeit, unter den vielen guten
Sorten das Beste herauszufinden, zumal Boden und Lage bei uns sehr verschieden
sind."
Der Lehrer Johann Huntemann aus Eversten ( ab 1894 Direktor der Landwirtschaftlichen
Winterschule in Wildeshausen ) hielt anläßlich der schon im
ersten Teil unserer Serie erwähnten Obst- und Gemüseausstellung
in Abbehausen einen vielbeachteten Vortrag , über den die Butjadinger
Zeitung ausführlich berichtete.
Dort heißt es zum Obstsortiment : "Nach Ansicht der Kommission
seien für die hiesigen Verhältnisse folgende Sorten die geeignetsten
: a) Daueräpfel: Wintergoldparmäne , Kasseler Renette , Prinzenapfel,
Prinzessin Nobel (Alantapfel), Roter Winter- paradiesapfel , Pigeon oder
Weißer Wintertaubenapfel , Boyken Apfel (Kohlapfel) und Schöner
von Boskoop ; b) Sommeräpfel : Gute Luise, Charlamowsky Apfel und
die Sommerparmäne (Kaiserlicher Tafelapfel) ; c) Birnen : Gute Luise
, Marie Luise, Gute Graue , Bosk`s Flaschenbirne, Köstliche von Charneu
und Großer Katzenkopf."
1893 ein reiches Obstjahr "wie selten in der Marsch"
Und abschließend heißt es: " Die zahlreich anwesenden Damen
und Herren zeigten sich sehr befriedigt über diesen sachlichen und
dennoch populären Vortrag. Nach den üblichen Dankesworten des
Vorsitzenden wurde diese interessante Verhandlung mit dem Wunsche geschlossen,
daß die heutigen Anregungen dazu dienen mögen , dem Obstbau
immer mehr und mehr Freunde zuzuführen."
Das Jahr 1893 war übrigens ein reiches Obstjahr "wie selten in
der Marsch" , und auch die Qualität ließ keine Wünsche
offen. Wie vielfältig das angebaute Sortiment damals noch war, geht
aus einer kurzen Mitteilung hervor, die uns heutige, auf wenige Sorten
festgelegte Verbraucher geradezu in Erstaunen versetzen muß:
"Auf Wunsch des Herrn Wilhelm Müller aus Atens ist hier von dem
Herrn Bernhard Cornelius in Burhave ein Sortiment , bestehend in 45 Apfel-
und 11 Birnensorten, überwiesen worden. Herr Müller beabsichtigt,
dieses Sortiment, welches als vorzüglich bezeichnet werden kann, einem
Geschäftsfreund in London zu übermitteln."
Bernhard Cornelius (1840 - 1934) war übrigens ein großer
Liebhaber und Kenner des Obstbaus. Er bezog, nachdem er seine Brauerei
in Isens verpachtet hatte, ein neu erbautes Haus in Burhave an der Hauptstraße
und legte hier einen großen Obstgarten an. In seinem Büchlein
"Korte Vertellen ut mien Lebenstiet" (Rüstringer Heimatbund,1981)
erinnert er daran, wenn er schreibt :
"In`n Harfst harr ik dat drock, dat väle Obst aftonehmen. Dat
makde ik sulwst, dar let ik annerswell nich ran. Awer 3000 Pund hev ik
awerlangs arnten kunnt, ik haar väl Bärböm, de meist vull
drogen. Dat Obst weer schön, de Garn leg sunnig; Köper nehmen
min Obst geern, ik kunn de Sorten angeben, ok wenn se ring weern."
Heute spielt Obstanbau in Butjadingen keine Rolle mehr. Wo noch eine
größere Menge Obst anfällt, wird sie bestenfalls zu Saft
gepreßt.
Die gepflegten Obstgärten aus der Zeit um die Jahrhundertwende
sind verschwunden und mit ihnen die vielen alten Obstsorten. Im alten Land,
dem größten Obstanbaugebiet Deutschlands, wurden bis 1940 noch
67 Sorten des alten Apfel- und Birnensortiments bewirtschaftet, heute dagegen
nur noch zehn. Es ist einmal mehr ein überzeugender Sieg der Wirtschaftlichkeit
auf Kosten der Artenvielfalt zu verzeichnen.
Hans-Rudolf Mengers, Stollhamm in der Kreiszeitung Wesermarsch