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    Evaluation in der Umwelterziehung

    Wolfgang Meiners, 27.11.1997

    Zuerst habe ich nicht verstanden, was die "Evaluation" soll und was sie will. Aus der Industrie kenne ich verschiedene Methoden der Erfolgskontrolle und Arbeitsüberprüfung, aus der Schule kenne ich Leistungskontrollen und die Interviewtechnik ist mir auch vertraut. Was bringt also die Evaluation Neues?

    Nun kamen immer wieder StudentInnen nach Iffens, die zunehmend mehr von dem Instrument der Evaluation berichteten. Eine ideale Situatioin, nicht die Theorie solch eines Begriffes lernen zu müssen, sonder zu sehen, wie die Praxis aussieht.
    In einigen Examensarbeiten hatte ich dann die Evaluation in der Umweltbildung vorgeführt bekommen. Mein ungutes Gefühl über diese Arbeiten habe ich dann so formuliert: "daß Umweltbildung eben prinzipiell nicht evaluierbar ist". Das ist sicher zu weit gegeriffen, aber trotzdem ein interessanter Gedanke.

    Nun gibt es auch Veranstaltungen zu diesem Thema (sie sind auch wohl nötig) und der Denkprozess geht weiter. Meine heutigen Kenntnisstand fasse ich in den folgenden Texten zusammen.

    Zunächst die Texte, die ich vor der Fachtagung „Evaluierung der Bildungsarbeit im Naturschutz 28.-29. Okt. 1997 in der NNA Schneverdingen geschrieben habe, und die als Vorlagen verteilt wurden.

    1. Bewertung erfordert Maßstäbe

    Ausgefeilte Bewertungskriterien und Bewertungssysteme haben wir bei schulischen Leistungskontrollen und bei komerziellen Marktanalysen. Beide Systeme sind auf die Umwelterziehung nicht anwendbar.
    Was geschieht, wenn wir eine Qualifikation mit ungeeigneten Maßstäben bewerten:
    Die Musikhochschule hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben und dabei ist festgestellt worden:
    95% der AbsoventInnen hören auch später noch Musik
    65 % sind weiblich
    84 % können auch nach 12 Jahren noch 76 der 81 Klaviertasten bedienen
    35 % spielen mehr als 5 aber weniger als 18 min Pro Tag Musik
    2,5 % verdienen mit Musik ihren Lebensunterhalt
    79 % haben während des Studiums ihre Persönlichkeit entwickeln können

    Einzelangeben:
    Stravinski ist als Ausbildungsinhalt fraglich, weil keiner nach seinem Studienabschluss mehr was von Stravinsky gehört hat.
    Eine Stradivarigeige sollte nicht mehr im Unterricht erwähnt werden, weil sie von den Probanden nicht benutzt wird.
    Auch die Kompositionen für mehr als 22 Musiker (Händel) sind heute nicht mehr aktuell, es fehlt an Geldmittel um solche Orchester zusammenzustellen.
    (Inhalte übertragen nach einem Bericht über das FÖJ)

    Das Schlüsselproblem der Bewertungen ist der Wertmaßstab. Über den lohnt es sich zu reden, bevor wir eine Bewertung der Umwelterziehung beginnen. Aber weder an den Hochschulen noch in den Umweltverbänden besteht ein Konsens über die Inhalte und Methoden in der Umwelterziehung. Kann dann ein Konsens über die Wertmaßstäbe bestehen?

    Im Jugendaktionsbuch und in den Grundlagen zum Ökoführerschein habe ich eine anwendbare und umfassende Strukturierung der Umweltbildung vorgelegt. Diese Strukturen werden von PraktikerInnen in der Umweltbildung zwar viel genutzt, sind von einigen Leuten die heute viel Geld mit der „Evaluation“ machen, strickt abgelehnt worden. Ein Argument: Gerade die Flexibilität der Inhalte und Methoden sei das Besondere der Umweltbildung, da würde eine Festlegung nur „faschistisch“ sein.

    Mit flexiblen Wertkriterien ist aber auch eine Auswertung unmöglich. In der Industrie und Schule gibt es einen „schlechten Führungsstil“, der kritisiert und Noten gibt, ohne die dafür nötigen Maßstäbe zu nennen.

    Eine unlösbare Zwickmühle?

    Das Problem ist lösbar, wenn es erkannt ist. Wir haben in der Literatur verschiedene Auffassungen über Umwelterziehung. Das merken wir sätestens dann, wenn wir uns nach 25 Jahren Umwelterziehung die Frage stellen, was denn dabei herausgekommen ist.

    2. Keine Meinungen zu Fakten machen

    Das Ergebnis einer möglichen Evaluation kann folgendermaßen aussehen:

    Die Umweltverbände nutzen die Umweltbildung (PR-Arbeit) nicht anders als vor der begrifflichen Erfindung der Umwelterziehung (ca 1972) zur Mitgliederwerbung und Nachwuchsschulung.

    Die Industrie macht in der Umwelttechnik zwar grosse Umsätze, hat aber heute immer noch nicht die Notwendigkeit einer (frühen) Qualifizierung in der Umweltbildung entdeckt.

    Die Schulen nennen den klassischen Unterricht in Biologie und Freiland etwas anders, machen aber dasselbe wie eh und je.

    Umweltstationen ähneln mehr den städtischen Verwaltungsbüros als den Naturfreundestationen vor 50 Jahren.

    An den Hochschulen sind einige klassische Abteilungen in Didaktik jetzt in der Umwelterziehung tätig, und machen dasselbe wie zuvor.

    Diese Tagung hätte vor 30 Jahren auch stattfinden können, sie hätte denn geheißen: „Kann eine besser Allgemeinbildung das Menschliche im technischen Zeitalter retten?“ Wir streicheln begeistert viel mehr Bäume als vor 15 Jahren, aber immer weniger Mitmenschen.

    Die Bevölkerung ist heute nach 25 Jahren Umwelterziehung unverändert dabei, Natur und Umwelt zu verbrauchen. Der grüne Punkt ist ein Etikettenschwindel, der Konsum hat gewonnen.

    Die Bilanz ergiebt, daß wir auf der Stelle treten.

    Umweltbildung ist eine Beschäftigungstherapie für kritische Interlektuelle, um sie von den wirklichen gesellschaftlichen Problemen abzulenken.

    Welche Maßstäbe sind hier verwendet, und werden durch die Bezeichnung als „Evaluation“ nicht die Meinungen zu vermeindlichen Fakten erhoben?

    3. Zur Frage der Evaluierbarkeit in der Umwelterziehung

    In der Umweltstation Iffens benutze ich Methoden und Inhalte der Umwelterziehung, die ich genau be- und umschreiben muß.
    Eines der dazu nötigen Modelle ist unsere bekannte Geschichte von der „Symphonie“ zur Erklärung des Ökoführerscheins. Andere Modelle nutzen das Seifenthema, die Komposition eines Essens oder die Objekte-Geschichte: "Nicht für die Schule, für das Radfahren lernen wir"

    Diese Art der Umweltbildung ist mit den üblichen Methoden der „Lernzielkontrolle“ oder Evaluation nicht zu bewerten.

    Eine Kurzgeschichte zur Erläuterung:
    Ich fahre mit Fahrrad und Landkarte durch eine unbekannte Landschaft. Die Wegweiser sind rar, aber ich finde den Weg zum Ziel.
    Am Zielort unterwerfe ich mich einer Lernzielkontrolle:
    Bin ich in Augusthausen an der Telefonzelle links oder rechts gefahren? Keine Antwort = Null Punkte!!
    Ich erinnere mich weder an links noch rechts noch an die Telefonzelle, also bin ich durchgefallen - unfähig den Weg ohne Landkarte zu finden?
    Ich fahre die selbe Stecke (ohne Karte) und finde „instinktiv“ den richtigen Weg. In derselben Situation erinnere ich mich gaenau. Diese Situation ist aber bei der „Bewertung“ nicht hergestellt worden.

    Ein weiteres Beispiel zeigt eine Situation, die nicht mit üblichen Methoden „prüfbar“ ist:
    Funktionierende Teamarbeit entwickelt eine Kreativität und Schnelligkeit, die jede einzelne Person für sich alleine kaum erreichen kann.
    In der Umwelterziehung sind solche ökologisch vernetzten Teamsysteme typisch.
    Diese „Synergie“-effekte sind aber für Einzelpersonen im Team nicht bewertbar.

    In der Theorie der „Motivation“ unterscheiden wir Arbeits- , Leistungs- und Erfolgsmotivation. Muß ein signifikantes Bewertungssystem für die Umweltbildung auch so differenziert werden?
    In den „Arbeitsteams“ bei anderen Lebensbereichen haben wir Supervision, Beratung, Nachschulung, Prüfung, Nähe und Berührung, Controling, Beichte, Pflegepersonal, etc. Viele dieser Funktionen laufen in den idealen Teams gleichzeitig und wechselseitig ab, ohne daß sie als „Bewertung“ empfunden werden.

    Hat sich die Bewertung in der Umweltbildung nur deswegen so enwickeln können, weil es keine ökologisch vernetzten Teams in diesem Bereich gibt?

    Solche Fragen sollten geklärt sein, bevor eine Bewertung der Bildungsarbeit in Natur- und Umweltschutz versucht wird.

    4. Der Iffenser Blickwinkel

    Wir haben in der Umweltstation Iffens in fast 20 Jahren eine Position entwickelt, die bei heutigen Problemen vielleicht interessante Lösungsansätze bieten kann.

    Zunächst ist die Umweltstation Iffens eine „NGO“ (non government organisation) von dem Typ, wie sie gerade in den Agenda-21-Aktivitäten „neu“ entdeckt werden. Wir sind nicht durch administrative Strukturen und Rituale gebunden und relativ unabhängig von der staatlichen Verwaltung und Finanzierung.
    Wir sind aber eingebunden in die aktuelle Gesellschaft, in die Natur und die Umwelt.
    Ein Fragebogen über Umweltstationen („natur“ , April 1984) sieht bei uns deswegen anders aus. Auch unsere „Kriterien für eine FÖJ - Einsatzstelle“ ( Feb. 1997) sind deswegen ungewöhnlich.
    Wir haben die Sachzwänge und Rücksichtnahmen der staatlichen Einrichtungen nicht und können andere Maßstäbe für Bewertungssysteme ausprobieren.


    Dann ein Text, den ich nach diesem Treffen bei der NNA in Schneverdingen (28/29.10.97) geschrieben habe:

    Die zwei Varianten der Evaluation in der Umweltbildung

    Es gibt tatsächlich zwei Arten der Umwelterziehung/bildung. Ein findet in der Schule statt, die andere im Lebensalltag.
    Aus anderen (Schul-)fächern kennen wir das Problem:
    Die englische Schulsprache unterscheidet sich von dem Englisch, das wir in London sprechen. Schulische Biologie ist anders, als die biologischen Erfahrungen und Tätigkeiten im Alltag.

    Schul - Englisch

    Schule darf und soll auch anders sein, als der Lebensalltag, Schule kann exemplarisch sein, modellhaft und frei von Alltagszwängen. Das ist gut so, solange wir das schulische Englisch nicht mit dem Alltagsenglisch verwechseln. Die Begrenzung auf 500 Vakabeln und 20 wichtige grammatikalische Regeln ist solange in Ordnung, wie wir wissen, daß die Begrenzung aus praktischen Gründen erfolgt und wir in der realen Sprache zusätzliche Worte und Regeln lernen und anwenden.
    Bitten wir einen Lehrer, die englische Sprache zu beschreiben und zu definieren, so wird er vielleicht sagen: „Englisch ist das was wir in der Schule lernen“. Das ist bekanntermassen Unsinn, aber schulintern ist diese Aussage für Prüfungen (Lernzielkontrollen) sicherlich hilfreich und nötig. Den Unsinn merkt ein Schüler, wenn er in England die Landessprache sprechen möchte, oder es merken auch die vielen anderen Bürger, die im Alltag mit der englischen Sprache zu tun haben.
    Rahmenbedingungen und die Eigendynamik der Schule prägen also die Art von Englischunterricht, die an der Schule praktiziert wird.

    Umweltbildung historisch

    Bildung und Erziehung hat in Deutschland nicht immer mit Schule zu tun, für die Umwelterziehung gilt das auch. Die Idee (meine Idee ??) der Umwelterziehung ist in Deutschland nicht in der Schule entstanden, auch wenn die Texte von Tiflis (1972) das vermuten lassen.

    Ich selbst habe die Anfänge der Umwelterziehung in der Bürgerinitiativbewegung erlebt. Die Information, Diskussion oder Öffentlichkeitsarbeit über Umweltprobleme wurde zunächst nur ausserhalb der Schulen betrieben. Gelegendlich wurde das Thema Atomkraft in der Schule sogar verboten.
    Als ich 1978 mit der Redaktion der „Lehrerservice“ begann, lag die Zielgruppe dieser schulisch klingenden Zeitschrift zuerst ausserhalb der Schule bei den MultiplikatorInen, den Entscheidungsträgern und in der Erwachsenenbildung. Auch in den ersten Redaktionsgruppen der Zeitschrift „öko päd“ habe ich mitwirkende Schullehrer nicht als solche bemerkt, sondern als engagierte Bürger, die eine breite Allgemeinheit über Umweltprobleme informieren wollen. Der direkte Schulbezug der Materialien war noch nicht gegeben, die Aufbereitung als Unterrichtseinheit oder die Konformität mit dem Lehrplan war noch kein Thema.

    Erst um 1983 wurden die Materialien zur Umwelterziehung immer schulischer, immer mehr zu typischen „Unterrichtseinheiten“. Ich selbst habe diese Wandlung zur damaligen Zeit nicht nachteilig empfunden. Mir schien eine gegenseitige Befruchtung von Schule und Nichtschule möglich („cross over“ Lehrerservice Nr 7 ). Bei Kontakten mit Eulefeld (IPN) und Lob (Essen) bemerkte ich keine ausgeprägt schulische Auffassung über die Umwelterziehung.

    Daneben entwickelte sich eine Papierflut an Infoblättchen von den Umweltverbänden und Ministerien, die auch den Anspruch auf Umwelterziehung hatten.

    In der folgenden Zeit zeichnete sich bei Schulen und Hochschulen eine Chance ab, neue gesellschaftsrelevante Themen in die Lehrinhalte aufzunehmen (Wunsch nach Wissenschaftstransfer). Von den Kultusministerien wurde die Umweltbildung zugelassen und später verordnet.

    Die Umweltverbände haben sich aus der praktischen und theoretischen Entwicklung der Umweltbildung herausgehalten.
    Die Verbände haben die Idee der Schulung nicht verstanden. Das „Jugendaktionsbuch Natur und Umwelt“ (Freizeit Verlag 1984) wurde von Verbandsjugend abgeleht: „ wir wissen schon genug und haben für sowas keine Zeit“. So war denn die Förderung dieses Buches und die anfängliche Arbeit in der Umwelterziehung durch den BUND Baden Württemberg eine Einzelaktion von Erhard Schulz, den ich sehr gut kannte. Schulz hat sich aber im Gesamtverband nicht durchsetzen können.
    Ein gelegendlicher Arbeitskreis Umwelterziehung (z.B.: beim BUND) wird heute vermutlich betrieben, weil auch Lehrer ein begehrtes Mitgliederpotential sind. Die positiven Möglichkeiten der Umwelterziehung in Verbänden werden nicht genutzt (vgl. Lob/Carließ , Handbuchder Umwelt- und Friedenserziehung, Band 2 Schwann Verlag ....., Chancen der Verbände) Ausländische Vorbilder mit Charakter eines Lernprogrammes (z.B.: key - Projekt) finden in der Verbändeszene kaum Freunde. Die Greenteam - Schulung oder der Ökoführerschein werden wenig genutzt.

    So ist dann die schulische Behandlung der Umweltbildung immer dominater geworden und die vielen seit 1984 gegründeten Umwelt- „zentren“ sind in diesem Sinne auch ausgelagerte Biologieräume. Also normaler Schulunterricht an anderen schulisch gestalteten Orten.

    Die nichtschulische Variante der Umweltbildung hat sich wenig artikuliert.
    Die staatlich geförderte Erwachsenenbildung in der Umwelterziehung hat sich sehr stark an Schule orientiert, und auch die Seminare des FÖJ (Freiwilliges Ökologisches Jahr) sind „Schule“.

    Anspruch und Geltungsbereich

    Der historische Exkurs soll zeigen, wie sich die Schule und Hochschule der Umweltbildung angenommen haben und wie diese Institutionen dann auch unbemerkt von der Restgesellschaft die Inhalte und Methoden der Umweltbildung festlegten.
    Das ist für die Umweltbildung ausserhalb der Schulen sehr schlimm.

    Es gibt Merkmale, die Schule vom normalen Alltag unterscheidbar macht:
    Lehrplan, Einzel-leistung, Notengebung, Lehrerposition, Zielkontrolle, Zwangsgruppen, grosse Gruppen, Abfragen, Reproduzierbarkeit...

    Ebenso gibt es Lernorte und Lernformen, die durch diese schulischen Bedingungen geprägt sind.

    Wir haben aber auch viele Lernorte und Aktivitäten, die sich an der Alltagsgesellschaft orientieren. Das sind Museen, Tierparks, Zeitung, viele Ausstellungen, Wanderwege, Urlaub, Infosysteme, usw.

    Im Alltag gelten andere Merkmale, die in der Schule oft wenig Bedeutung haben:
    Blickfang, Stimmung, Gruppenhandeln, Freude, Erinnerung, Geborgenheit, Weitererzählen, Phantasie, räumlichen und zeitlicher Zusammenhang...

    Für diese Alltäglichkeit ist der Maßstab der schulischen Umweltbildung sehr schlecht anzuwenden.

    Zum Beispiel: Ökoführerschein

    Als ich etwa 1974 die Idee des Ökoführerschein hatte, war das Vorbild die Kombination von theoretischem und praktischem Unterricht der in einem überschaubaren Zeitraum zu machen ist. Steinbuch hatte das „Basiswissen“ formuliert und ich wollte zusätzlich Basishandel üben und beides zusammen in einem überschaubarem Grundkurs (wie beim PKW-Führerschein) zusammenfassen.

    Zunächst entwickelten wir das Ökopraktikum, weil sich in Iffens die Bedingungen dafür optimal ergaben. Zehn Jahre haben wir mit viel Spaß dieses freie „Selbstlern“-programm machen können. Dann haben wir uns den geänderten Anforderungen gebeugt und das freie Ökopraktikum zu einem Ökoführerschein mit festem Program umgebaut. Der vorgegebene Plan der Themen und Methoden erinnert an Schule und wurde von vielen TeamerInnen als Sammlung von Unterrichtseinheiten mißverstanden. Es ergaben sich oft Diskussionen über Sinn und Struktur des Ökoführerschein. In einigen Texten zur Theorie des Ökoführerschein habe ich versucht in Einzelfragen und in Analogien die alltägliche Umweltbildung und den Unterschied zu Unterrichtseinheiten zu beschreiben.

    Daraus lassen sich konkrete Anforderungen an LehrerInnen, an den Lernort und die Stimmungen ableiten. Zum Beispiel hat der Lehrer weden Pausen noch Feierabend, er „lehrt“ solange er wach ist.

    Die Grundidee der Umwelt-Allgemeinbildung und der gesellschaftlichen Situation („Menschenbild“) ist im Moment nicht so gefragt, sie ist aber einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Schule und Alltag.

    Beratung und Evaluation

    Schule nutzt die Alltagspraxis

    Eine Studentin untersucht die Umweltbildung durch einen Lehrpfad. An einer „Lernstation“ wird die Verweildauer gemessen , die Erinnerung an die vier verschiedenen Fraßspuren werden ermittelt. Sind die BesucherInnen aktiv geworden und haben bewegliche Teile ausprobiert? Aus den Antworten der BesucherInnen wir ein Ergebnis ermittelt. Die Studentin fragt nicht nach dem Umfeld dieser Lernstation, nach einem Regendach, Sitzbank, Tisch oder nach den Lichtverhältnissen an diesem Platz. Der Kontext, also die Reihenfolge der Lernstationen ist wichtig und die Gestaltung selbst natürlich auch. Materialien, Ausfertigung und Grösse der Objekte wirken erheblich auf die BesucherInnen ein. Identifikationsebenen und Einstimmungen als Grundbedingung für den abgefragten „Lerneffekt“ werden nicht erhoben.

    Trotzdem ist dieses eingeschränkte Vorgehen in der schulischen „Evaluation“ möglich und unproblematisch, solange die Studentin sich in ihrer Ausbildung übt. Sie überprüft ihr eigenes gelerntes Wissen und weist den Erfolg dem Prüfungsamt nach.
    Auch kann ein Hochschullehrer zum Beispiel ein Museum als Lehr- und Unterrichtsfeld benutzen. So wird auch ein Musikunterricht interessanter, wenn er mit einem Praktikum im Orchester ergänzt wird, der schulisch begrenzte Blickwinkel wird erweitert.

    Kann Schule den Allag prägen ?

    Sicherlich sind auch Situationen denkbar, in denen ein Schulfach (Religion??) perfekter und optimaler praktiziert wird als der Alltag. Hier kann Schule Vorbild sein, beratend wirken und die Einlösung der Spielregen überprüfen. Prinzipiell ist auch eine Schule denkbar, die viele alltägliche Erfordernisse der Umweltbildung einlöst und „tonangebend“ wirken kann. Diese Schule hätte keine Lehrer und Schüler sondern kleine Lebensgruppen, sie würde keine Fächer unterrichten, sondern bei alltäglich Aufgaben die Persönlichkeit und die Fertigkeiten der Kinder entwickeln. Auch das Schulgebäude selbst ist vielleicht überflüssig, usw.

    Wer Berät im Alltag die alltags-Umweltbildung ?

    Schon lange gibt es Unternehmen im „freien Markt“, die Konzeptentwicklung, Beratung und Korrekturen in der Umweltbildung gegen Honorar anbieten. Diese BeraterInnen haben Leitlinien und Maßstäbe des normalen Alltags, die oft verschieden gelernt worden sind und verschiedene Schwerpunkte haben. So kann das für eine Beratung nötige Wissen und die Erfahrung aus Design, Schaufenstergestaltung, Fotografie, Personalschulung, Theaterbesuch, Verkäufertrainig, Zooaufsicht, Handwerk, Pressearbeit usw. erworben worden sein. Auch unser Team in der Umweltstation Iffens konnte in vielen kleinen und großen Aufträgen viele Projekte, Verbände, Komunen, Schulen, Unternehmen, Umweltgruppen etc beraten.

    Die Maßstäbe, Kriterienlisten oder Leitfragen machen wir in unserer Iffenser Beratungsgruppe öffentlich. Bei Tagungen, im internet oder in speziellen Kursen sind die Grundlagen zu erfahren bzw. zu erproben. Wir verbergen also die Werkzeuge nicht, mit denen wir arbeiten.
    Wenn ich die Tasten des Klavieres kenne und bedienen kann, heißt das noch nicht, daß ich auch Klaviermusik komponieren kann. Die Komposition ist so, wie die Ergebnisse unserer Beratungen, nicht nachrechenbar, ihre Wertigkeit drückt sich nicht in der Menge der Tasten oder in der Dicke der Notenblätter aus.

    Neue Sachzwänge

    Einige BeraterInnen der alltäglichen Umweltbildung nutzen schulische Maßstäbe. Das kann fatale Folgen haben: In deren Gutachten finden wir dann fleißige Tabellen und statistische Kalkulationen, abenteuerliche Korrelationen, Zielformulierungen und Zielkontrollen, seitenfüllende Interwievs oder viele geschriebene Zeilen ohne Bedeutung. Das ist nötig, um die Gutachten voluminöser zu gestalten und deren Kosten zu rechtfertigen. Wie bei schulischen Aufsätzen üblich, werden diese Arbeiten nicht im Team lektoriert, sondern die Einzelleistung wird betont.
    Für eine Beratung in der alltäglichen Umweltbildung sind solche Arbeiten nicht geeignet.
    Sehr bedenklich wird die Sache, wenn solche Bewertungen über die Vergabe von Fördermitteln oder Investitionen entscheiden.


    Zum Abschluß noch ein Text über die Anwendung von Maßstäben auf einen „falschen“ Bereich: (vermutlich von Grutchow (?), Mitglied des Hertievorstandes, Vortrag in Berlin, wann?)

    „Schuberts Unvollendete“

    Ein Vorstandsmitglied eines Großunternehmens hatte Konzertkarten für Schuberts unvollendete Symphonie bekommen. Er war verhindert und gab die Karte seinem Fachmann für Arbeitszeitstudien und Personalplanung. Am nächsten Morgen fragte das Vorstandsmitglied den Mitarbeiter, wie ihm das Konzert gefallen habe. Und anstelle einer Pauschalkritik überreichte ihm der Experte für Arbeitszeitstudien und Personalplanung ein Memorandum, in dem es heißt:

    „Für einen beträchtlichen Zeitraum hatten die vier Oboen-Spieler nichts zu tun. Ihr Part sollte deshalb reduziert, ihre Arbeit auf das ganze Orchester verteilt werden. Dadurch würden auf jeden Fall gewisse Arbeitszusammenballungen eliminiert werden.
    Alle zwölf Geiger spielen die gleichen Noten. Das ist unnötige Doppelarbeit. Die Mitgliederzahl sollte drastisch gekürzt werden. Falls wirklich ein großes Klangvolumen erforderlich ist, kann dies auch durch elektronische Verstärker erzielt werden.
    Erhebliche Arbeitskaft kostet auch das Spielen von 32-stel Noten.
    Das ist unnötige Verfeinerung. Es wird deshalb empfohlen, alle Noten auf- bzw. abzurunden. Würde man diesem Vorschlag folgen, wäre es möglich, Voluntäre und andere Hilfskräfte einzusetzen. Unnütz ist es, daß die Hörner genau jene Passagen wiederholen, die bereits von den Saitenintrumenten gespielt wurden. Würden alle überflüssigen Passagen gestrichen, könnte das Konzert von 25 Minuten auf 4 Minuten verkürzt werden. Hätte Schubert sich an diese Erkenntnisse gehalten, wäre er wahrscheinlich im Stande gewesen, seine Symphonie zu vollenden.“

    Viele Grüße aus Iffens 27.11.1997


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