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    „Netze für den Seiltanz“

    Vorschläge zur Standortbestimmung von Natur und Industrie

    Referat in Etelsen bei einer Veranstaltung des Institutes der Deutschen Wirtschaft 1985

    Wolfgang Meiners

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    1. Zur Situation der Umwelt-Industrie-Diskussion

    Es gibt viele Diskussionen oder Rollenspiele oder Texte über das "Spannungsfeld" Industrie und Umwelt etc. Ökologie gegen Ökonomie ? heißt das in Tagungstiteln, und oft wird nur darüber diskutiert, wer ist beherrschender, wer ordnet sich wem unter?

    Schlimmstenfalls gibt es eine Podiumsdiskussion auf dem Talkshow-Niveau, und wenn der Industrievertreter nicht einen fetzigen Schlips um hat, oder der Umweltvertreter lustig herumchaotisiert, dann schlafen alle bald ein, denn das , was dazu gesagt wird, haben sie schon so oft gehört, und es ist immer wieder ein so schrecklich aufregend langweiliger small talk.

    Die Diskussion endet dann oft in selbstgefälliger Ignoranz, in schlaffer Resignation oder im hitzigen Chaos. Alle drei Endstationen sind Sackgassen, die nicht zur Klärung der anstehenden Probleme beitragen - und Probleme gibt es hier erdrückend viele.

    Es fehlt an Maßstäben und Wertvorstellungen, die der Stellung des Umwelt- und Naturschutzes in der Industriegesellschaft gerecht werden. Mich hat die Pattsituation zwischen Industrie und Umwelt immer geärgert. Die Industriegesellschaft profitiert mächtig von dieser Pattsituation, und der Umweltschutz wird immer hilfloser.

    Mein Ärger hat ein Denkmodell hervorgebracht, das sicherlich nicht neu ist, das aber hoffentlich einfach genug ist, damit sich jeder Naturschutzaktivist über seine Chancen in der Industriegesellschaft nicht mehr selbst belügen muß.

    2. Stellung von Industrie - Umwelt

    Unsere Umwelt verstehen wir in diesem Modell als ein Raum, in dem etwas geschieht. Ist dieses Geschehen für den Menschen "berechenbar", so nennen wir es "Ökosystem". In diesem Raum gibt es neben vielen anderen Lebewesen auch Menschen, sie sind ebenfalls an dem Geschehen im Ökosystem beteiligt.

    Menschen sind in der langen Zeit ihrer Evolution ständig mit dieser Umwelt in Kontakt, sie sind von ihr geprägt, an ihre Lebensbedingungen angepasst worden.

    Menschen zeigen eine breite Vielfalt von Verhaltensweisen.

    Ein wichtiger Verhaltensbereich ist die soziale Selbstorganisation von Gruppen /Gemeinschaften.

    Eine mögliche soziale Organisationsform wollen wir "Industriegesellschaft" nennen. Andere Organisationsformen sind bei uns in Europa schon verwirklicht worden, und neben der Industriegesellschaft gibt es heute gleichzeitig familiäre Gesellschaften, oder solche die durch Kleinbauern und Handwerker bestimmt sind.

    Konsequenzen aus Punkt 2

    Der Mensch ist durch Umwelt geformt, Industriegesellschaft ist durch Menschen geformt. Industrie(gesellschaft) braucht den Menschen, der Mensch braucht die Umwelt (Natur). Der Umkehrschluss gilt nicht: Die Natur gibt es auch ohne den Menschen, Menschen können auch ohne eine Industriegesellschaft leben.

    Die Begriffe Umwelt/Natur und Industrie stehen also auf verschiedenen Ebenen, etwa so wie Äpfel und Autos verschieden sind.

    Zwischen den Ebenen Umwelt und Industrie steht der Mensch mit seiner sozialen Selbstorganisation und seinem menschlichen naturgeprägten Verhalten.

    3. Vielfalt menschlicher Ausdrucksformen/Verhaltensweisen.

    Menschliches Verhalten bzw. Soziale Gesellschaften beansprucht Natur in sehr unterschiedlichem Maße.

    Drei Probleme können sich dadurch ergeben:

    -- Heute verarmt die Vielfalt an möglichen Gesellschaftsformen. Nur wenige Arten menschlicher Verhaltensweisen setzen sich durch, andere Gesellschaftsformen sterben aus. Zur Zeit scheint sich die westliche Industriegesellschaft gegen kommunistische Gesellschaftsformen durchzusetzen.

    -- Der Anspruch allgemeiner Gültigkeit einer einzigen Gesellschaftsform kann auch den vorhandenen Umwelt-Raum überbeanspruchen. Religionskriege in Nordirland zerstören Ökosysteme.

    -- Ist eine Gesellschaftsform gerade vorherrschend, so muß sie für die menschliche Evolution nicht unbedingt auch die sinnvollste sein, sie kann auch einfach bequem oder vorübergehend sein.

    Konsequenzen aus Punkt 3

    Wir müssen klären: Ob und wie die Industrie-gesellschaft heute einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit für sich beansprucht. Welche alternativen Verhaltensweisen der Mensch bei dem heute vorhandenen Naturraum noch realistisch entwickeln kann.

    Welche Vielfalt von Gesellschaft also möglich ist.

    ( oft lösen sich dogmatische Gesellschaften mit einem "Phönix-aus-der-Asche-Prinzip mit Kriegen gegenseitig ab. Das ist hier nicht gemeint.)

    Die industrielle Gesellschaftsform wird sicherlich der Bequemlichkeit des Menschen gerecht, sie muß deswegen aber nicht unbedingt mit der Natur des Menschen gut vereinbar sein.

    4. Es gibt heute viele Probleme

    4.1 Menschen selbst und die Natur(Naturraum) sind oft in einer Art belastet, die deutlichen Widerspruch hervorruft ( Alergie, Leistungsverweigerung, Technikfeindlichkeit) oder auch zum Zusammenbruch von Teilsystemen führt (Artensterben).

    4.2 Unser Naturraum ist deutlich gestört, wir beschreiben das mit den aktuellen "Umweltkatastrophen" wie z.B. Waldsterben, DDT. Radioaktive Isotope, Seveso....)

    4.3 Industrielle Verhaltensweisen haben sich in Bereiche hinein entwickelt, in denen sie andere Verhaltensmöglichkeiten behindert oder umformt. (Trennung von Arbeit und Freizeit, Trennung von Wohnort und Arbeitsort, Monetäre Bewertungssysteme - alles wird in Geld bewertet, Arbeitsmenschen sind Maßstab für Stellenlose, Konsum behindert Eigenaktivität, Musisches - an der Schule- wird behindert.

    4.4 Die Förderung alternativer Verhaltensweisen wird durch die Bevorzugung von Förderungen industrieller Verhalten ausgehungert.

    4.5 Industriegesellschaft braucht den Menschen, daher ist sie bestrebt, sich positiv mit ihm auseinander zu setzten. Beispiele wie HdA belegen das.

    Konsequenzen aus Punkt 4

    Die Lösung der Probleme muß enthalten und betonen:

    --Mut und Selbstverständnis des Menschen in seiner Rolle "zwischen" Natur und Industrie

    --Förderung von Alternativen zu Industriegesellschaft in einer solchen Weise, daß sie für den Menschen als Lebensmöglichkeit verfügbar bleiben ( wie es heute bei den Nicht-regel-Schulen schon möglich ist ).

    --Intensiver Schutz der restlichen Natur

    --Förderung der Verhaltensweisen, die nicht unbedingt (direkt) der Industriegesellschaft dienen durch die Industriegesellschaft. (z.B. betonen der musischen Fächer, der Naturkunde etc.)

    5. Das "Normale" im Exil

    Die seit hundert Jahren bevorzugte Verhaltensweise der Industriegesellschaft hat zu einer erheblichen Änderung dessen bewirkt, was "Biologisch normal" war. (Zeitrhythmen, Kräfte, Drogen, Produktivität,...) Wenn wir das ändern wollen, so sind wir trotzdem Vorbild für diejenigen, die wir anders sozialisieren wollen (Schule).

    Das gleiche gilt für die "Resozialisierung = Renaturisierung" in der Erwachsenenbildung.

    Konsequenzen aus Punkt 5

    Wir müssen bei einer Korrektur unserer Verhaltensweisen (Umdenken - Umschwenken - Wende etc.) sehr sorgfältig unsere Ausgangslage analysieren, die Problemlösung sorgfältig angehen und Wunschdenken aufheben. Leitgedanken sollen dabei Erfahrungen in der Umwelterziehung einbeziehen.

    Wir haben heute zwei Wege in der Erziehung:

    1. Wir verbessern die Anpassung des Menschen an die Industriegesellschaft, Vermeiden Konflikte und Enttäuschungen. Wir tragen dazu Inhalte wie Computeranwendung etc in die Schule hinein. Dieser Weg hat sicher kurzfristig Erfolg, vielleicht ist weitere Naturzerstörung durch eine sehr hoch entwickelte Industriegesellschaft mit guten Management zu stoppen.

    2. Wir betonen die Ziele, die den biologischen Grundlagen (Natur) des Menschen gerecht werden. Insbesondere Wiederherstellung grösserer Vielfalt, Alternativen nicht nur dulden, sondern gezielt schaffen, Überbeanspruchungen der Natur zurückbauen.

    Die Industriegesellschaft gibt ihren Alleingültigkeitsanspruch auf und fördert Alternativen. Dieser Weg ist langfristig angelegt, er betont die Natur als tragfähige Grundlage. Dieser Weg ist heute jedoch wohl nicht ohne Hilfe der Industriegesellschaft zu gehen.


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