Die Analogie zu dem realen Gehen und Suchen meiner Wege in einer Satdt ist gegeben.
Dabei mache ich eine Pause und benutze meinen Stadtplan.
Ich breite ihn aus, betrachte mein Umfeld, finde meinen Standort, suche meine Ziele, mache kurz und langfristige Pläne, wäge Alternativen ab. Und dann falte ich den Plan wieder zusammen, bis zur nächsten Weg- und Denkpause.
Quo vadis ist eine einfache Frage, die immer dann gestellt wird, wenn die Antwort kompliziert ist. Quo vadis steht oft stellvertretend für einen grossen Berg an verschiedener Fragen und ich nutze die Chance dieses Vortrags, um ein wenig an diesem Berg herumzuschaufeln.
Ich will dies als Chemiker machen, genauer: als umweltbewegter Chemiker.
Ich habe mich in der chemischen Analytik spezialisiert und arbeite gelegentlich zur Umweltanalytik im Auftrag von Umweltverbänden oder der Industrie. Die Berufsfeuerwehr unterrichte ich in Chemie und auch in politischen Gremien habe ich als parteiloser Berater Erfahrungen gesammelt.
Weiterhin bin ich gemeinsam mit dem Iffens-Team als Landwirt auf einem Kleinbauernhof und mit der Umweltstation in Iffens beschäftigt. Unsere Schwerpunkte sind die Alltagsökologie, das Wattenmeer, die Umweltbildung und eben auch die Chemie.
In der Fachschaft Chemie an der Uni Freiburg begann ich vor 25 Jahren mit der Umweltdiskussion. Unser Lernfeld war in diesen Anfängen der Umweltbewegung nicht nur die Hochschule, sondern auch die Strasse. Uns halfen Querdenker aus der naturwissenschaftlichen Praxis, aus der Industrie und der Politik.
Ich habe die Uni 1978 (zehn jahre nach den 68-ger-Gedanken) zu einer Zeit verlassen, als der Bildungsanspruch der Hochschulen zu einem Ausbildungsanspruch wurde.
Seitdem habe ich gelegentlich Lehraufträge und regelmäßig viele Kontakte mit Studentengruppen verschiedener Unis und verschiedener Fachrichtungen, die zum Beispiel auch in Iffens Kurse machen. So bin ich also in verschiedenen Bereichen der Umweltbewegung tätig, nicht nur als Freiberuflicher Chemiker, sondern auch mit einem Spielbein in den Hochschulen.
Aus dem Blickwinkel dieser (Berufs-)Erfahrung möchte ich die Quo-vadis-Fragen betrachten.
Zweifellos schwimmen wir als kritische Wissenschaftler in der Umweltbewegung gegen den „gesellschaftlichen Strom“. Und der Strom der Konsumgesellschaft trägt uns in den letzten Jahren deutlich weg von unseren Zielen, während wir gleichzeitig - relativ zur Gesellschaft - Fortschritte machen.
Ist dies eine aussichtslose Lage, ist nun Galgenhumor angesagt ?
Gesellschaft ist - wie eine chemische Theorie - keine "absolute oder wahre" Gesellschaft. Sie ist veränderbar und kurzlebig. Diese Variante der "harten" Konsumgesellschaft kann sich in kurzer Zeit auch wieder anders entwickeln.
Umweltbewegung hat versucht Gesellschaftsströme sehr radikal zu verändern, sie zu blocken. Atomkraft, Individualverkehr, Tablettenmißbrauch, Waldsterben, Artenausrottung, Ozonloch und viele andere Löcher im gesellschaftlichen Handeln sind Beispiele dafür.
In dieser Umweltbewegung dominiert die Chronik der Mißerfolge, nur wenige Erfolge waren zu verzeichnen: Verbot von Chloroform in Lebensmitteln, von Cadmiumfarben in Kunststoffen Reduzierung von Benzol in Benzin, CKW - Gesetz, BImsch, etc.
Wo ist also eine neue Chance der Veränderung, und welchen Beitrag sollen ChemikerInnen dabei leisten?
Die Diskussion um die Veränderung der Universitäten hat wieder Hochkonjunktur, da sollten doch auch Änderungen möglich sein, die im Sinne der Umweltbewegung nötig und möglich sind. Diese Vortragsreihe, die von der Studentenschaft der chemischen Fakultät der Uni Hamburg selbst organisiert wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Ich kann Anregungen geben für solche Veränderungen, aus meinem persönlichen Blickwinkel. Eine Auflistung der Gedanken und Forderungen ist weder vollständig noch gibt sie Patentrezepte. Ich nenne Probleme, die diskutiert und gelöst werden müssen, damit sich in der Umweltbewegung (die auch von ChemikerInnen getragen wird) noch etwas bewegen kann.
Ein solides Alltagswissen und breite Nebenqualifikationen sind besonders bei der Lösung von Umweltproblemen erforderlich. In einem Interview der GdCh- "Nachrichten.aus Chemie und Technik" rät der neue GdCh-Vorsitzende und BASF-Chemiker in zehn von fünfzehn Zeilen zur Nebenqualifikation. Dieser Aspekt ist ihm also doppelt so wichtig wie das Gerede von der Studienzeit auf den restlichen fünf Zeilen.
Er soll zum Beispiel Stellung beziehen zu Themen wie:
- chemische Giftgase und chemische Kriege
- Benzol im Benzin
- PVC und Chlorchemie
- Vanillin in Nahrungsmitteln
- Methanolbränden mit schwarzer Rauchentwicklung (Hoechst)
- chemische Altlasten des letzten Krieges
- Adombran- Mißbrauch (Lexotanil)
- Deponie Georgswerder oder Schönberg
- Chemikalien gegen Bürger in Wackersdorf
- die Liste kann lang werden
Ich lese gelegentlich "Gutachten" über umwelttechnische Fragestellungen, die in Erörterungsverfahren von den Behörden ernst genommen werden, die jedoch als Hausarbeit oder als wissenschaftliche Veröffentlichung völlig unzureichend sind. Die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens werden zuzgunsten des geldgebenden Auftraggebers vergessen.
Ordinarien, die mehr als 6000,- DM in Monat kassieren wollen, haben mit vielen schönen Sprüchen die Drittmittelforschung in die Unis gebracht, und dafür die Spielregeln des wissenschaftlichen Arbeitens geopfert. Wenn dieser Kuhhandel beendet wird, haben wir weniger Gefälligkeitsgutachten und Vernebelung der wissenschaftlichen Arbeit. Die Umweltbewegung würde davon profitieren.
Hier der Text:
Stell dir vor, du hättest dem Maler den Auftrag gegeben, er soll die Wände deines Zimmers tapezieren und streichen.
Der Maler ist am nächsten Tag fertig und kassiert von dir 1300,- DM .
Du kommst in das Zimmer und siehst die fertigen Wände, aber du siehst auch, daß der Maler alle Werkzeuge, Leiter, Kittel, leere und halbleere Farbtöpfe stehen gelassen hat.
Du sollst selbst aufräumen. Als Normalbürger brauchst du die Werkzeuge und die Farbreste nicht - dir bleibt nur, sie wegzuwerfen. Die Müllabfuhr ist gefordert, und weil viele Reste in der Umwelt Sondermüll sind, kommen die Deponiesanierungskosten etwas später.
Die ChemikerInnen an der Universität können diese Fragen diskutieren lösen, um dann in der Umweltbewegung aktiv zu werden. In das akademische Studium müssen wir die brennenden Probleme der Umwelt einbeziehen. Sollen etwa "Politiker" chemische Umweltprobleme lösen?
Der eingeschlagene Weg dieser Vortragsreihe an der Universität Hamburg ist für mich der richtige. Mit ihm hat die Umweltbewegung eine Zukunft, ein Weg und ein Ziel.